Ruhestand
Pfarrer Günter Schäfer nach 34 Jahren verabschiedet
Von Klaus Waldschmidt.
Zu Beginn hatte der ebenfalls aus Klein-Linden stammende Pfarrer der Petrusgemeinde, Matthias Leschhorn, in seine „Prolog“ „uff Platt“ die versammelte Gemeinde unter Pandemiebedingungen herzlich begrüßt. „Mir sei in Linnes gruuß gewoarn. Es woar e schie Zeit“, konstatierte Leschhorn zu Beginn, „un ich wünsche en goare Verlaaf des Gottesdienstes“. Er hieß den Propst, Dekan André Witte-Karp, Präses Gerhard Schulze-Velmede, die assistierenden Pfarrer Christin Neugeborn (Bieber/Rodheim-Vetzberg) und Manuel Fetthauer (Altendiez) willkommen.
Sein besonderer Gruß galt auch Pastor Raphael Vach (Freie Gemeinde Frankenbach) und dem 1. Beigeordneten der Kommune Biebertal, Peter Kleiner, in Vertretung von Bürgermeisterin Patricia Ortmann. Gekommen war auch der langjährige Bieberer Pfarrer Karl Landau. Die Liturgie des Gottesdienstes am 1. Advent hatten Pfarrer Schäfer, die assistierenden Pfarrer sowie der Propst gemeinsam übernommen.
Schäfer nahm den Ball auf und sagte „Weii schieh isses, a goud Predigt off Platt zu haale, aber nicht heute. Ein Bibelwort ist mir in dieser ganzen Zeit immer wichtiger geworden: im Psalm 90 heißt es: Herr, Du bist unsere Zuflucht für und für. Und das ist der Glaube immer wieder für mich geworden. Eine Zuflucht, der Halt, wenn alles drunter und drüber geht, die Hand, die mich stützt und der Gott, an dem ich mich anlehnen kann und der mir Kraft gibt und Wegweisung und Trost. Das habe ich erlebt, davon wollte und will ich weitergeben. Diesen Trost und diese Zuflucht erfahren zu können, dafür bin ich unglaublich dankbar. Und viele Stationen und Ereignisse brauchten und brauchen diesen Halt und Trost“, führte Schäfer in seiner Abschiedspredigt aus.
Er erinnerte an seinen ersten Besuch mit Gattin Ingrid im Krumbacher Pfarrhaus. „Und dann wurden 33 Jahre daraus“, konstatierte er. „Mit Abschieden und Neuanfängen, mit Lachen und Weinen, mit vielen, vielen Begegnungen, auch mit Ärger und Streit. Vielen, vielen Kindern bin ich begegnet, im Kindergarten, in den Kindernachmittagen, beim Konfi, bei Freizeiten. Südtirol war manchmal das Ziel unserer Gemeindefreizeiten. Oft mussten wir morgens um 9 auf die Totenglocke hören, die mitteilte, dass wieder einer von uns gegangen war. Und viele, viele Gespräche gab es, Gottesdienste zuhauf.
Und vielen Menschen bin ich bis heute dankbar, die uns begleitet, mit denen wir unterwegs sein durften. Viele Kolleginnen und Kollegen habe ich erleben können. Und vielen jüngeren Pfarrerinnen und Pfarrern konnte ich ein bisschen Rüstzeug zum Thema Verwaltung nahebringen. Die Diakoniestation war und ist mir ein großes Anliegen, weil Glaube sich nicht nur in Worte, sondern eben auch in Taten zeigt“, führte Schäfer weiter aus und fügte hinzu: „Ich hatte das große Glück, diesen Glauben geschenkt zu bekommen und er hat mich immer wieder getröstet und Kraft geschenkt. Das ist nicht selbstverständlich. Glaube ist heute nicht selbstverständlich. Er muss immer neu entfacht und eingebracht und gelebt werden. Glaube ist keine Selbstverständlichkeit so wie Kirche keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Sie ist im Chorkonzert der uns umgebenden Stimme nicht mehr so laut, wie sie mal war, überhaupt meine Kirche, die EKHN, ein vielfältiges Gebilde, immer wieder um die Wahrheit ringend, manchmal der Gefahr des schnellen Aufspringens auf den Zeitgeistzug ausgesetzt, manchmal ob mancher Entscheidungen verärgernd, aber auch wieder Heimat und viele Menschen, mit denen ich unterwegs sein durfte.
Propst Matthias Schmidt zitierte Günter Schäfer, der über sich selbst sagte „Als Pfarrer war und bin ich Realist. Und Seelsorger“. „So haben viele Menschen Sie – und auch ich - erlebt. Als Realisten, also jemand, der Dinge und Situationen beim Namen nennt und anpackt. Der auch Konflikten nicht aus dem Weg geht. Und zwar mit dem Ziel der Klärung und Versöhnung!
Propst Schmidt dankte Schäfer für seinen engagierten Dienst in der Diakonie, auch in der AG Altenpflege sowie als stellvertretender Dekan, zunächst im damaligen Dekanat Gladenbach, dann auch kommissarisch im Dekanat Gießen, als Synodaler der Kirchensynode und im Bauausschuss sowie sein Engagement im Dom St. Johannis in Mainz. „Hinzu kommt die Arbeit als Begleiter von FEA-Kursen, also in der Ausbildung junger Pfarrerinnen und Pfarrer, denen Sie die tiefsten Geheimnisse kirchlicher Verwaltung entschlüsselten“.
Matthias Schmidt würdigte auch Schäfers Bereitschaft im letzten Jahr für dringende Vertretungssituationen – auch im Kirchspiel Kirchberg - zur Verfügung zu stehen und seinen Beitrag zur Förderung des Zusammenwachsens der Gemeinden im Biebertal. „Im Namen der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau danke ich Ihnen für Ihr vielfältiges und umfangreiches Engagement“, schloss der Propst, entpflichtete Schäfer von seinem Dienst und überreichte unter Assistenz von Pfarrerin Neugeborn und Pfarrer Fetthauer die Entlassungsurkunde.
Mit Gebet und Segen sowie einem rhythmisch-kraftvollen Orgelnachspiel klang der Gottesdienst aus. Die versammelte Gemeinde zollte mit lange anhaltendem Applaus Schäfer große Wertschätzung für seine Lebensleistung. Dank galt der gastgebenden Petrusgemeinde für die Ausrichtung der Verabschiedung.
Dekan Witte-Karpf führte in seinem Grußwort aus: „Sie haben in Krumbach und Frankenbach, Sie haben in den Kirchengemeinden und im Gemeinwesen Biebertals, Sie haben in unserem Dekanat und weit über unser Dekanat hinaus vieles gepflanzt und gepflegt, was aufgewachsen ist, was heute blüht und was noch aufgewachsen wird“ und überreichte einen geschmiedeten Krokus.
Pfarrerin Imogen Kasemir-Arnold und Pfarrerin Christin Neugeborn würdigten für die Biebertaler Gemeinden die Verdienste Schäfers und übergaben eine Holz-Ruhestands-Bank sowie zwei Obstbäumchen und ein Glockenspiel.
Der Geschäftsführer der Biebertaler Diakoniestation, Markus Bernhardt, bezeichnete Pfarrer Schäfer als „Manager im Talar“ und dankte ihm herzlich für sein 24jähriges Engagement. Biebertals Alt-Bürgermeister Thomas Bender dankte Schäfer für die gemeinsame Zeit in Biebertal und sein Engagement. „Wir waren fast wie „Don Camillo und Pepone“ und haben in unserer gemeinsamen Zeit viel bewirkt“. Im Anschluss war bei einem Steh-Café Gelegenheit, sich von Pfarrer Schäfer zu verabschieden und zum Gedankenaustausch.